Drahtler Architekten Modellierungsrichtlinien für den BIM-basierten Bauantrag

Die Stadt Dortmund ist eine Modellkommune, die den BIM-basierten Bauantrag unterstützt und für kommende Bauvorhaben ermöglichen will. Dies geschieht im Rahmen eines geförderten Projekts, das u.a. die Partner Forschungsförderung Zukunft Bau, die Ruhr-Universität Bochum, Planen Bauen 4.0 und das Land Nordrhein-Westfalen unter seinem Dach vereint. Untersucht wurde dabei, wie sich BIM-Modelle in die Bauantragsverfahren bei Städten und Gemeinden einbinden lassen, welcher Nutzen entsteht und wie groß der Effizienzgewinn ist.

Das Projekt „Ocean 21“ in Dortmund von Drahtler Architekten

Erstes reales Bauvorhaben im Forschungsprojekt ist das Bürogebäude Ocean 21 am
Südufer des Phoenixsees in Dortmund. Für dieses Projekt wurden allgemeingültige Modellierungsrichtlinien erarbeitet, die zukünftig als Basis für BIM-basierte Bauanträge dienen sollen. Das Dortmunder Architekturbüro Drahtler Architekten plant Ocean 21, Planen Bauen 4.0 leitet das Forschungsprojekt. Prof. Dr. Markus König mit dem Lehrstuhl für Informatik im Bauwesen an der Ruhr-Universität Bochum ist der wissenschaftliche Forschungspartner.

Im Februar 2021 wurde in der Fortführung der erste komplett BIM-basierte Bauantrag für ein Folgeprojekt von Drahtler Architekten genehmigt, der Neubau der Firmenzentrale Louis Opländer, ein Traditionsunternehmen in der Technischen Gebäudeausrüstung in Dortmund. Mehr dazu erfahren Sie in diesem Artikel in der Zeitschrift Build-Ing.

Bereits 2020 haben wir Tina Drahtler, Prokuristin von Drahtler Architekten, zum aktuellen Stand der Planungen befragt:

Die Digitalisierung betrifft die städtischen Bau- und Planungsabteilungen ebenso wie Architekten, Fachplaner oder die Bauindustrie. Sie entwickeln aktuell mit verschiedenen Partnern aus Forschung und Anwendung einen BIM-basierten Bauantrag. Worin soll der Nutzen liegen, für die Architekten, Fachingenieure, Bauherren und Genehmigungsbehörden?

Tina Drahtler: Der Nutzen ist vielfältig. So benötigen wir zukünftig nicht mehr alle Unterlagen in fünffacher Ausfertigung. Bisher ist das ja irrwitzig viel Papier, was da eingereicht werden muss. Der Architekt als Partner des Bauherrn erhält außerdem neue Vollmachten. So ist es nicht mehr nötig, dass der Bauherr auf dem Bauantrag unterschreibt. Das wird vieles abkürzen und schneller werden lassen. Hinzu kommt, dass digitale Gebäudemodelle direkt zur Prüfung an die Baubehörden hochgeladen werden können. Damit liegt die Planung beim Amt nicht mehr in 2D-Daten, als PDFs oder im DWG-Format vor, sondern als IFC-Modell. Der Prüfstatiker kann daraus ebenso seine Prüfstatik erstellen.

Der Workflow im Forschungsprojekt BIM-basierter Bauantrag: Dargestellt sind die Prozess-schritte, die für eine Einreichung zu durchlaufen sind.

Damit wird das gesamte Baugenehmigungsverfahren vereinfacht?

Tina Drahtler: Das ist richtig. Für die Behörden vereinfacht es aber noch mehr: Ausgedruckte Papierpläne werden zum heutigen Stand mit den Grüneintragungen, also den amtlichen Anmerkungen und Änderungen, versehen und anschließend eingescannt, erneut ausgedruckt und zu uns zur Bearbeitung zurückgeschickt. Das alles soll in Zukunft durchgängig digital möglich sein. Der Faktor Zeit ist dabei nicht zu unterschätzen. Das Baugenehmigungsverfahren lässt sich mit einem BIM-basierten Bauantrag stark verkürzen.

Was ändert sich mit dem BIM-basierten Bauantrag für den Architekten?

Tina Drahtler: Mit einer modellorientierten BIM-Planung kläre ich viele Punkte schon in den Leistungsphasen 3 und 4 ab, die ich bis dato erst in der Ausführungsplanung mit Leistungsphase 5 bearbeitet habe. Für unser Büro bedeutet das aber, dass wir Projekte mindestens bis nach der Ausführungsplanung betreuen. Denn sonst rechnet sich die intensive Arbeit während der Entwurfs- und Genehmigungsplanung nicht. 

Konkret auf Ihr Projekt bezogen: Sind die Modellierungsrichtlinien, die Sie in ihrem Projekt „Ocean 21“ erarbeitet haben, auch sinnvoll für Büros, die bisher keine Berührung mit dem digitalen Bauantrag hatten?

Tina Drahtler: Ja, absolut. Es hilft allen, stärker auf die wichtigen Dinge zu achten – beispielsweise die Flächen so auszulesen, wie sie für den Antrag relevant sind. Der Datenmanager in unserer BIM-Software Vectorworks war hierbei enorm wichtig. Denn er legte fest, was rausgegeben wird und was nicht.

Ist es damit also gar kein Mehraufwand den digitalen Bauantrag abzugeben, wenn ich bereits mit BIM und modellorientiert plane?

Tina Drahtler: Nein, das ist kein Mehraufwand. Wichtig ist vor allem, dass die richtigen Attribute im richtigen Feld des Bauantrags-Tools stehen. Diese werden dann anschließend zusammengestellt und ausgewertet.

Wann rechnen Sie mit der Einführung der Modellierungsrichtlinien, an denen Sie mit Ihren Partnern arbeiten?

Tina Drahtler: Ich hoffe, direkt nach dem exemplarischen Prüfprozess. Bis Ende August 2020 erfolgt die Prüfung unseres Bauantrages für die Firmenzentrale Louis Opländer durch die Stadt Dortmund.

Erfolgt die Einführung bundesweit oder werden sich Bundesländer an Ihre Ergebnisse anschließen?

Tina Drahtler: Baurecht ist Länderrecht. Das macht es schwer, es übergreifend umzusetzen.

Was sind die Anforderungen an das BIM-Modell, damit der BIM-basierte Bauantrag möglich ist?

Tina Drahtler: Wenn wir vom nötigen Detaillierungsgrad im Modell sprechen: Da wollten wir den Architekten nicht so viel vorschreiben. Es geht im Modell nur um die notwendigen Informationen, die auch im klassischen Bauantrag notwendig sind. Um mehr nicht. Zum Bauantrag gehören darüber hinaus ergänzende Nachweise. Die Brandschutzregeln fließen zum Beispiel bereits ein, der Wärmeschutznachweis ist jedoch noch nicht automatisiert möglich.

Um einen Hersteller- und Softwareoffenen BIM-Ansatz zu ermöglichen, ist ein Merkmalserver zur Standardisierung der übergreifenden Zusammenarbeit der Planungspartner notwendig. Wird hier ein neuer Merkmalserver entwickelt oder ein bestehendes Konzept weiterentwickelt?

Tina Drahtler: Sicher ist ein Merkmalserver wichtig. Doch er kann erst kommen, wenn der Prüfprozess unseres Bauantrags abgeschlossen ist. Das wird also nachgeordnet sein.

Lässt sich prognostizieren, um wieviel schneller die Bauantragserstellung wird?

Tina Drahtler: Aktuell fehlen ja noch Vergleichswerte. Doch wenn man ein BIM-Projekt plant und es auch als IFC-Modell, in 3D einreicht, ist es für den einreichenden Architekten bereits deutlich schneller. Ich kann mir den ganzen Prozess des Umarbeitens der Pläne für den Bauantrag sparen. Die Plankopferstellung entfällt, das Aufsetzen in 2D-Plänen und die Planlayouts, das Umfärben und Visualisieren von Bauteilen und Flächen und die zahllosen Plots und Kopien für die Bauantragseinreichung: Es muss nur noch eine digitale Akte geliefert werden. Bei unseren Projekten sind wir ungefähr zwei Wochen mit dem Bauantrag beschäftigt. Das schrumpft nun auf wenige Arbeitstage.

Wie weit kann und sollte der Gebäudelebenszyklus in Zukunft Einfluss bei der Bauantragsstellung nehmen?

Tina Drahtler: Im Zuge des Bauantrags ist dazu bisher nichts gefordert. So fließen Informationen über Bauprodukte, deren Kennwerte und wo oder wie sie verbaut wurden, bisher nicht ein. Im Rahmen unserer Baudokumentationen erfassen wir das für unsere Bauherren. Aber die Ämter spielen hier bisher keine Rolle.

Bei Ihrem Pilotprojekt „Ocean 21“ haben Sie Desite MD für die Übergabe der Bauteilattribute aus dem Gebäudemodell eingesetzt. Wird dies für den BIM-basierten Bauantrag später auch mit anderen Systemen wie Solibri, BIMcollab oder BuildingOne möglich sein?

Tina Drahtler: Für den Bauantrag ist nur die fachspezifische Attribuierung der vom Architekten modellierten Bauteile für die Themen Brandschutz, Akustik und Wärmeschutz wichtig. Mit DesiteMD ließ sich das für uns gut umsetzen. Dennoch können natürlich ebenso andere Softwaresysteme eingebunden werden.

Sie arbeiten im Büro mit der BIM-Planungssoftware Vectorworks. Setzen Sie spezielle Funktionen oder Werkzeuge im Pilotprojekt ein?

Tina Drahtler: Ja, durchaus. Was wir bei der Bauantragerstellung feststellten: Wir hatten viele Daten einzubinden, die bisher nicht so wichtig waren in anderen Projekten. Daher war der Datenmanager in Vectorworks elementar bei unserer Arbeit – also zum Beispiel die Filterung nach Attributen im Programm. Hinzu kam, dass wir die eingebunden Marionette- und Python-Scrips für die individuelle Anpassung unserer BIM-Software einsetzen. Wir haben uns wichtige Ergänzungen für die Projekte in Vectorworks programmieren lassen, so zum Beispiel für die Schlitz- und Durchbruchsplanung im 3D-Modell. Wir empfinden das als großen Mehrwert: Sobald wir uns mit neuen Dingen oder Lösungen beschäftigen, können wir viel selbst davon mit eigenen Bordmitteln realisieren.

Das Interview mit Tina Drahtler wurde von Tim Westphal geführt und ist auch in der DBZ 05/20 erschienen.